Das war unser 18. UZ-Pressefest, das Volksfest der DKP in Dortmund
Konstantin Wecker beugte sich zu der einige Köpfe kleineren Esther Bejarano herunter, und gemeinsam sangen sie vor mehreren tausend begeisterten Zuhörern »Sage nein!«. Zuvor hatte die fast 90 Jahre alte Sängerin zusammen mit den Rappern der »Microphone Mafia« die Lieder des jüdischen Widerstandes mit den Rhythmen heutiger Politmusik kombiniert.
Das als »Widerstandskonzert« unter dem Motto »Gegen Krieg und Krise – Gemeinsam gegen rechts!« angekündigte Konzert am Samstag abend war einer der Höhepunkte des inzwischen 18. Pressefestes der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit. Das Volksfest der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die das Blatt herausgibt, lockte auch in diesem Jahr mehrere zehntausend Menschen in den Dortmunder Revierpark Wischlingen.
Der am Samstag mittag einsetzende und bis in den Abend anhaltende Regen konnte die Stimmung nicht trüben – sondern lockte die Besucher noch mehr in die vielen Festzelte, in denen ein breit gefächertes Programm aus Musik, Diskussionen und anderen Darbietungen angeboten wurde. So drängten sich mehrere hundert Menschen im Zelt der jungen Welt, als zahlreiche Sängerinnen und Sänger gemeinsam die beliebtesten Revolutionslieder aufführten. Die »Hitparade« war von der Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus unter den Lesern ermittelt worden.
M&R-Chefredakteurin Susann Witt-Stahl hatte zuvor mit Konstantin Wecker und Moshe Zuckermann, dem renommierten Professor für Geschichte und Philosophie der Universität Tel Aviv, über die heutige Bedeutung politisch engagierter Musik diskutiert. Vor dem Zelt, das direkt am Ufer eines kleinen Sees errichtet worden war, luden Tische und Bänke zum Verweilen bei Bier und Wurst ein. Direkt nebenan präsentierten sich die ostdeutschen Landesverbände der DKP unter anderem mit einer Diskussionsrunde zur Lage in der Ukraine, bei der sich Olga Lewtschenko von der ukrainischen KP den Fragen der Besucher stellte. Wer mochte konnte im Filmzelt aber auch die Liveübertragung von der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien verfolgen. Das Interesse hielt sich in Grenzen, König Fußball hatte harte Konkurrenz.
Mehr Andrang herrschte zum Beispiel bei einer Diskussionsrunde mit der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke), dem DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele sowie Leo Mayer, der als führender Kopf des Minderheitsflügels der Partei gilt. Während Dagdelen und Köbele die EU als ein imperialistisches Projekt charakterisierten, das praktisch nicht reformierbar sei, zeigte sich Mayer optimistischer. Er warb dafür, die Bildung von »Linksregierungen« etwa in Griechenland zu unterstützen. So wolle die griechische Syriza bei einer Regierungsübernahme die das Land knebelnden Anordnungen aus Brüssel gezielt brechen. Dadurch könne eine Reform der Union erzwungen werden, hoffte Mayer – und stieß auf Kopfschütteln bei Dagdelen.
Das sei eine Illusion, erklärte sie und erhielt dafür lauten Beifall. Sie habe in den mittlerweile neun Jahren, die sie im Bundestag und Politikbetrieb dabei sei, selbst erlebt, daß die zentralen Entscheidungen der EU nicht in Brüssel, sondern in Berlin getroffen werden. Selbst wenn eine Regierung guten Willens sei, sei sie mit so zahlreichen Zwängen konfrontiert, daß sie eine wirklich linke Politik kaum umsetzen könne. Mit Blick auf die Realität in Deutschland bezweifelte sie zudem, daß eine sich möglicherweise anbahnende rot-rot-grüne Koalition eine solche Linksregierung werden könne, wie sie Mayer vorschwebe: »Von einem Bündnis mit SPD und Grünen, die den Tabubruch begangen haben, eine Regierung aus offenen Faschisten in der Ukraine zu unterstützen, die für jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr stimmen und die keinerlei soziales Programm haben, erwarte ich keine linke Politik.« Köbele warnte, die berechtigte Kritik an der EU den Rechten zu überlassen. Es könne auch von links Widerstand gegen die Union geben, und die Forderung nach der Verteidigung der Souveränität ihres Landes, wie sie die Portugiesische KP vertritt, habe mit chauvinistischen Positionen wie denen der AfD nichts zu tun.
Internationalismus prägte generell das Fest, zu dem 34 kommunistische Parteien und Befreiungsbewegungen offizielle Delegationen geschickt hatten. So informierten die Befreiungsfront Polisario der Westsahara oder die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas über ihren Kampf, während die Kommunisten aus Luxemburg, Belgien und den Niederlanden Spezialitäten, Wein und Bier aus ihren Ländern im Angebot hatten. Mehrere kommunistische Parteien aus der Türkei lockten ebenfalls mit Leckereien, aber auch Freunde lateinamerikanischer Genüsse kamen auf ihre Kosten.
Auf Einladung der jW waren Vertreter der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek aus Luxemburg, der Arbejderen aus Dänemark und des Morning Star aus Großbritannien nach Dortmund gekommen. Am Freitag hatten die vier Zeitungen die Gelegenheit genutzt, bei einer Beratung ihre Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. So soll es im August eine gemeinsame internationale Beilage aus Anlaß des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges geben. Für die Festbesucher erlebbar wurde die Kooperation bereits bei einer Diskussionsrunde am Sonntag, bei der Redakteure der vier Zeitungen sowie der UZ darüber berieten, wie der rechte Vormarsch in Europa gestoppt werden kann.
Die Pressefeste der UZ finden seit den 70er Jahren normalerweise alle zwei Jahre statt – und konnten von den deutschen Kommunisten auch über ihre schwere Krise im Zuge des Verschwindens der DDR hinweg gerettet werden. Eigentlich wäre der Termin für das Fest bereits im vergangenen Jahr gewesen, doch entschied man sich 2013, auf das Fest zu verzichten, weil der zu Beginn des Jahres durchgeführte 20. Parteitag der DKP zu viele Kräfte gebunden hatte. Ende 2013 entschied der Parteivorstand dann, die Durchführung der Großveranstaltung davon abhängig zu machen, daß mindestens 30000 Euro Spenden zur Vorfinanzierung zusammen kommen. Schnell konnte eine deutlich höher liegende Summe gesammelt werden – die Mitglieder der DKP demonstrierten, wie sehr ihnen das Fest am Herzen liegt. Und vielen Linken, die nicht oder anderswo organisiert sind, ging es genauso – die Naturfreundejugend, die Partei Die Linke, Kuba-Solidaritätsgruppen und Antifa-Strukturen haben das Pressefest aktiv unterstützt und durch eigene Beiträge mitgeprägt. Es dürfte sicherlich nicht das letzte gewesen sein.
Text: junge Welt