Kleiner Fortschritt. jW-Gastkommentar von Patrik Köbele

Tageszeitung junge Welt, 27. Februar 2014Seit Jahrzehnten versuchen die etablierten Parteien der Bundesrepublik, ihr parlamentarisches Terrain »sauberzuhalten« – vorzugsweise durch administrative Hürden, die kleinen Parteien auferlegt werden. Dazu gehören Sperrklauseln, aber auch die Notwendigkeit, Unterstützungsunterschriften sammeln zu müssen, um überhaupt bei Abstimmungen antreten zu dürfen.

Bei den Europawahlen galt in Deutschland früher eine Fünfprozenthürde. Die wurde 2013 auf drei Prozent herabgesetzt. Diese neue Festlegung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Mittwoch gekippt. Das ist gut so. Unverständlich bleibt, warum die Fünfprozentklausel bei Bundes- und Landtagswahlen sowie die in manchen Bundesländern noch vorhandenen Sperrklauseln bei Kommunalwahlen nicht verfassungswidrig sein sollen.

 

Als Argumente für diesen Bruch des Grundgesetzes wird angeführt, daß ja sonst die Parlamente zersplittern würden. Manchmal wird gar bemüht, daß dies die Lehre aus dem Untergang der Weimarer Republik sei. Letzteres ist sicherlich Ausdruck eines naiven Geschichtsbildes, denn ob das Großkapital sich durch eine Sperrklausel am Hochpäppeln der Nazis hätte hindern lassen, darf getrost bezweifelt werden. Das Argument der Zersplitterung wiederum ist demokratietheoretisch schwer haltbar, weil es den »Komfort« der Parlamentsarbeit höher gewichtet als die Repräsentanz aller Wähler.

Darum ergibt es natürlich Sinn, den BVerfG-Spruch nun zu nutzen, um die Beseitigung der verbliebenen Sperrklauseln in Angriff zu nehmen. Für linksdenkende Menschen hätte das ja auch den Charme, daß sie sich nicht mehr so oft zur Wahl des »kleineren Übels« gedrängt fühlen müssen. Das führte Menschen früher immer wieder zu der Aussage: Euch Kommunisten wähle ich nicht, dann verschenke ich ja meine Stimme. Um sie dann etwa einer Partei zu schenken, die später die ersten Kampfeinsätze der Bundeswehr und Hartz IV ermöglichte.

Mancher mag einwenden, daß das aber auch Faschisten den Weg ins Parlament eröffnet. Faschisten muß man politisch bekämpfen, und ihre Organisationen gehören verboten. Sperrklauseln nutzen gegen sie nur wenig: Wenn die Herrschenden braune Hilfe benötigen, finden sie schon Mittel und Wege.

Was bedeutet dieses Urteil aktuell für meine Partei, die DKP? Wir werden wohl trotzdem bei dieser EU-Wahl noch keine Parlamentssitze erringen – aber weiter daran arbeiten. Am Tag des Urteils haben wir beim Bundeswahlleiter die erforderlichen Unterstützungsunterschriften abgegeben. Wir bedanken uns deshalb bei all denen, die geholfen haben, die Kandidatur der DKP abzusichern. Es wird also eine wählbare linke Alternative geben, die die EU klar als imperialistisches, militaristisches und undemokratisches Konstrukt kennzeichnet. Ist doch schon mal was.

Dieser Gastkommentar des Vorsitzenden der DKP, Patrik Köbele, erscheint in der Tageszeitung junge Welt vom 27. Februar 2014