Razzia bei der »Augsburger Allgemeinen«
Weil er sich durch einen Nutzer des Onlineforums auf der Homepage der »Augsburger Allgemeinen Zeitung« beleidigt fühlte, hat der Ordnungsreferent der Stadt, Volker Ullrich (CSU) die Polizei alarmiert und die Redaktionsräume durchsuchen lassen, um an den Klarnamen des Users zu kommen. Dieser hatte im vergangenen Jahr in einer Diskussion um Pläne der Stadtverwaltung, gegen den Strassenstrich vorzugehen, Ullrich offenbar »Rechtsbeugung« vorgeworfen. Der erstattete daraufhin Anzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede – genug für den zuständigen Rechner, einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl gegen die Zeitung zu erlassen.
Wie der Brancheninformationsdienst turi2.de am Dienstag berichtete, hatte Ullrich bereits im vergangenen August Anzeige erstattet. Die Redaktion der »Augsburger Allgemeinen« hatte damals zwar den Kommentar gelöscht,die Herausgabe der tatsächlichen Nutzerdaten jedoch verweigert. Auch gegenüber der Polizei gab die Redaktion die Daten nicht heraus – und beugte sich erst der gerichtlich angeordneten Razzia. Das Vorgehen der Staatsmacht kommentierte das Blatt: »Ullrich schießt mit Kanonen auf Spatzen. Denn als Volljurist müsste der Ordnungsreferent wissen, dass es gerade im vorliegenden Fall andere Wege gäbe, sich gegen Schmähkritik zu wehren. Nach dem Gesetz müssen Betreiber von Internetseiten ihre Meinungsplattformen zwar nicht auf Rechtsverstöße kontrollieren. Aber sie sind dazu verpflichtet, solche Verstöße nach Kenntnisnahme umgehend zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen. Dazu reicht ein Brief, ein Anruf oder eine Mail.
Volker Ullrich wollte keine Mail schreiben oder anrufen. Ihm reichte auch die Löschung nicht. Der dünnhäutige Referent setzte lieber Anwälte, Polizisten und Richter in Marsch, um seinen Kritiker zu verfolgen. Das ist eine Machtdemonstration, die völlig übertrieben ist. Aber auch das Augsburger Amtsgericht muss sich nach der Verhältnismäßigkeit fragen lassen. Dort ist man offenbar recht schnell bereit, Redaktionsräume durchsuchen und Daten beschlagnahmen zu lassen. Und das nicht etwa, weil eine schwere Straftat aufzuklären ist. Sondern allein deshalb, weil ein städtischer Ordnungsreferent sich beleidigt fühlt. Das sollte bedenklich stimmen.«
Auch die Augsburger Piratenpartei verurteilte das Vorgehen Ullrichs als »überzogen«. Ullrich missbrauche Polizei und Amtsgericht »um Kritiker mundtot zu machen und die Presse einzuschüchtern«, erklärte David Krcek, der für die Piraten im Augsburger Osten für den Landtag kandidiert. Wenn Forenteilnehmer Angst haben müssen, dass politische Mandatsträger kritische Meinungen mit Abmahnungen und Unterlassungserklärungen unterbinden, könne von Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt nicht mehr die Rede sein. »Man fragt sich, ob wir uns als Bürger mit solchem Verhalten einverstanden erklären wollen oder ob wir von einem, der uns im Bundestag vertreten will, nicht etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit Menschen erwarten dürfen, die ihre Verärgerung mal etwas schärfer zum Ausdruck bringen«, so Krcek. »Volker Ullrich hat sich mit dem Vorgehen gegen die AZ und die Forenteilnehmer klar disqualifiziert, ein politisches Amt zu bekleiden. Wer so wenig Respekt vor dem Bürger hat, sollte auf seine Kandidatur verzichten und als Ordnungsreferent zurückzutreten.«
Es ist nicht das erste Mal, dass Ullrich juristisch gegen unliebsame Kommentare im Internet vorgeht, wie die AZ berichtet. Schon im Herbst 2011 habe er – damals erfolglos – die Herausgabe von Nutzerdaten verlangt. Aber auch bei anderen Themen sorgt der einstige Funktionär der Jungen Union für Empörung. Im vergangenen Jahr hielt er eine angemeldete Zusammenrottung von Neofaschisten in der Augsburger Innenstadt geheim, obwohl nur wenige Meter entfernt ein »Karneval der Kulturen« stattfand und die Nazis bei vorherigen Provokationen in Nachbarorten bereits Antifaschisten attackiert hatten.
Übernommen mit freundlicher Genehmigung von RedGlobe